Montag, 8. Mai 2017

"Neurodidaktik für Trainer" - Testgelesen (3)

"Trainingsmethoden effektiver gestalten nach den neuesten Erkenntnissen der Gehirnforschung" - dieses Buch von Franz Hütter und Sandra Mareike Lang versprach interessante Einblicke, die ich mir auch für E-Trainings überlegen wollte.

Auf diese Buch hatte ich mich wirklich gefreut. Meinte ich doch aus dem Klappentext "neuropsychologische Erklärungen für die häufigsten Trainingsformate, -inhalte und methoden. ... erhalten Sie neben Praktischen Anregungen für lernwirksame Gestaltung von Seminaren und Workshops konkret anwendbare Theoriebausteine ..." wirklich viel für mich mitnehmen zu können.

Aufgrund dieser Ausführungen habe ich ein Buch erwartet, dass mir Grundlagen liefert und dann praktische Anwendungen zeigt.
Mein erster Eindruck zu meinen Annahmen ist: "Nun ja -  ... irgendwie!"

Ich muss zugeben, ich habe das Buch bereits seit drei Monaten auf dem Schreibtisch liegen, denn nach einem ersten Blick hinein war mein erster Eindruck: "Ach du meine Güte!"
  • 320 dicht und eng beschriebene Seiten - gefühlt in Schriftgröße 9. 
  • Allein sieben Seiten Literaturverzeichnis (in Schriftgröße - gefühlt 5).
  • Die Schrift leider auch in größeren Anteilen in hellgrau (für Gleitsichtbrillenträger ein wirklich schlechter Kontrast).
  • Die Sprache mit vielen Fachbegriffen, Querverweisen, Literaturnangaben - und damit mit Sätzen, die ich dreimal lesen musste.
All dies sorgte für einen massiven Motivationsabfall und das Gefühl wieder im Studium mit einem Pflicht-Fachbuch gelandet zu sein, von dessen Inhalt man noch nicht so genau weiß, wofür man diesen und - ob überhaupt mal brauchen wird.

Nun habe ich ja schon einiges an Erfahrung im Lesen von Büchern, also nahm ich das Verzeichnis und die Einführung näher in den Blick - vielleicht war ja dort Hilfe zu finden.
"Besonders an Herz legen möchten wir Ihnen da erste Kapitel von Teil 1: "Was Trainerinnen und Trainer über das Gehirn wissen sollten." Es vertieft Ihr Verständnis zu allen anderen Erklärungen ..."
Leider hat Teil 1, Kapitel 1 - 100 Seiten ... die wirklich viele Grundlagen und Erklärungen enthalten, mich aber leider trotzdem nicht wirklich angesprochen haben.

Gehirn-Mythen und "Neuro-Bullshits"


Doch so schnell wollte ich nun auch nicht aufgeben ...
Teil 1, Kapitel 2 versprach mir die "Top 3 des Neuro-Bullshits" - das klang interessant...

Hier fand ich nun, dass vieles oft wiederholt, vermittelt und im kollektiven Trainerpool verankerte "Wissen" nicht unbedingt wahr sein muss.
Ich vermute auch Sie sind den Aussagen:
  • wir nutzen nur 10 % unseres Gehirns
  • Imaginationen sind für das Gehirn so real wie die Realität selbst und
  • dass im Hirn eher links rational und rechts emotional gedacht wird
schon begegnet.
Mit diesen "Neuro-Bullshits" wird hier nun aufgeräumt. Interessante Ausführungen in gut nachvollziehbaren Fakten sind hier erläutert.

Dermaßen ermutigt sprang ich nach einem Blick ins Verzeichnis in Teil 1, Kapitel 3 und las mich durch die "12 Prinzipien der Neurodidaktik".

Vom Lernen, Besser-Lernen und Sinn-Lernen


In diesem Kapitel gab ich es nun auf mich systematisch von Seite zu Seite zu lesen. In den 12 Prinzipien sind immer wieder Querverweise angegeben und ich sprang so kreuz und quer durch das Buch. Auch im Teil III mit der Überschrift "Trainieren mit Hirn: Neue Entwicklungen und Zukunftsperspektiven" bin ich dabei gewesen.

Diese 12 Prinzipien haben mich dabei immer wieder zum Nachdenken gebracht.
Irgendwie liefen in meinem Kopf automatisch Teile meiner Trainings ab - und ich überdachte diese anhand der o.g. Prinzipien.
Dazu werde ich hier auf dem Blog in den nächsten drei Wochen noch mehr erzählen, denn diese Prinzipien sind es wert!

Vom Um-die-Ecke-Denken und Anders-Herangehen an Trainingsmodelle


"Neuropsychologische Erklärungsmodelle zu vielen Seminarformen, Workshop-Übungen und Trainingsinhalten... Anregunen [zum] .... wie und warum wirkt das ... [und] wie kann ich meine ... Inhalte noch veränderungswirksamer gestalten? (Teil II Soft Skills & Hard Facts: Neurodidaktik aktueller Konzepte, Methoden und Modelle im Training)

Zu finden sind hier viele Konzepte und Methoden aus der Praxis, wie z.B. das Eisbergmodell, die 4-Seiten-einer-Nachricht, Rollenspiele, Zieldefinitionen, Stühlearbeit uvm.

Die Methode bzw. das Konzept wird dabei zunächst allgemein und im Detail erläutert. Spannend sind hier auch die Hintergrundinformationen. Z.B. dass "Gruppearbeit als didaktische Methode ... auf den Leipziger Reformpädagogen Hugo Gaudig zurückgeht.... mit seiner Abkehr vom reinen Frontalunterricht ... [Er] wollte Kinder zur freien geistigen Arbeit, zur Selbstständigkeit im Denken und Handeln und zur Ausbildung ihrer Individualität erziehen." (S. 199)

Die Methoden werden neuropsychologisch erklärt und es werden Anregungen gegeben, wie diese Methode - unter Berücksichtigung der Neuropsychologie - im Training zielgerichtet angewandt werden können.



Mein Resümee
  • Ich gestehe Kapitel 1 des ersten Teiles noch immer nur sehr anteilig gelesen zu haben - aber ich schließe nicht aus, dass ich es doch noch gesamt lesen werde ;-)
  • Das Buch ist sehr fundiert geschrieben, man merkt das Fachwissen und die Tiefe mit welcher sich die Autoren mit der Thematik auseinander gesetzt haben.
  • Gewünscht hätte ich mir einen etwas lesefreundlicheren Stil.
  • Schön wäre auch ein lesefreundlicheres Format (Schriftgröße und keine Hellgrau-Schrift) gewesen - vermutlich wäre das Buch aber dann doppelt so dick und die Hemmschwelle es in die Hand zu nehmen größer?!
  • Hilfreich wäre für den Traineralltag noch mehr Praxisnähe (nicht nur in übergeordneter Form) und praktische Alltags-Beispiele gewesen. Vom Leser wird nach meiner Einschätzung einiges an entsprechenden Grund- und Querwissen, möglichst auch fundierte Trainer- und Coachingkenntnisse erwartet, denn sonst laufen nach meinem Empfinden manche Hinweise ins Leere.
  • Ich musste mit diesem Buch erst warm werden. Schon lange habe ich mir ein Buch nicht mehr so erarbeiten müssen. Doch ich bin froh es getan zu haben.
    Es regt mich zum Denken und Weiter-Denken an...
    Es sorgt dafür, dass ich "alte" Kenntnisse und Erfahrungen wieder hervorhole.
    Die Beschäftigung mit den einzelnen Kapiteln schubste mich u.a. in alte Studienunterlagen, zu Recherchen im Netz und zum Austausch in vielen Gesprächen (mit Fachkollegen und auch im privaten Umfeld).
Am Ende also eine ganz klare Leseempfehlung.
Vielleicht ist es auch für Sie hilfreich über das Stichwort- oder das Inhaltsverzeichnis einzusteigen.
Lassen Sie sich von einzelnen Überschriften oder Begriffen ansprechen und springen Sie dann hinein.
Es gibt viel zu entdecken und ich denke dieses Buch hat den Charakter ein Nachschlagewerk zu werden.

Ich wünsche Ihnen eine gute Woche - und viele interessanten Einblicke in die Neurodidaktik.

Herzliche Grüße
Anja Röck

Nachtrag: Vertieft habe ich hier die 12 Prinzipien der Neurodidaktik aus Sicht des E-Trainers und für Webinare näher betrachtet ....



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen